
Stoffsitze im R129? Damals wollte sie kaum einer haben – heute sind sie Kult. Was damals eine nackte Basisausstattung war, ist nun selten und reizvoll geworden. Warum das so ist und welche Varianten es wie oft gab – all das zeigt meine kleine Hommage an eine unterschätzte Ausstattungsvariante.
Es ist zunächst mal bemerkenswert, mit welcher Vielfalt an Farben ein R129-Käufer seinerzeit „konfrontiert“ wurde. Das betrifft sowohl die Lackierung als auch das Innenleben. Für die Außenfarbe standen bei Einführung des SL stolze 19 Farben zur Auswahl.

Diese Farbvielfalt setzt sich im Innnenraum fort. Hier standen acht Farben zur Auswahl – völlig unabhängig davon, ob man beim (serienmäßigen) Stoffsitz blieb oder (gegen Aufpreis) Leder wählte. Die Option auf einen piniengrünen oder mittelroten Innenraum hatte damit auch, wer keine Sonderausstattung zu bezahlen bereit war.

Es war dabei mitnichten so, dass man mit der Farbwahl „nur“ Sitz und Türverkleidung wählte, wie es heute in aller Regel der Fall ist. Beim R129 wurden das gesamte Armaturenbrett, die Mittelkonsole, die Türverkleidung und sogar die Sicherheitsgurte in der Innenfarbe der Wahl ausgeführt.
Man vergleiche das mit heutigen Verhältnissen: Das wäre eine mehr als kostspielige Designo-Individualisierung, die die offizielle Preisliste so gar nicht vorsieht. Beim R129 hingegen gab es das komplett farbige Interieur in Verbindung mit Stoffsitzen hingegen völlig ohne einen Aufpreis!
Diese Tabelle aus der Mercedes-Vertriebsunterlage „Vorteile“ zum R129 zeigt auf, in welchen Farbvarianten der Innenraum ausgeführt wurde.

Während natürlich Leder als Inbegriff für Luxus galt, konnten die Stoffbezüge qualitativ durchaus mithalten. Die verwendeten Materialien wie Velours- und Mischgewebe waren extrem abriebfest, farbstabil und klimatisch angenehmer als Leder: Im Sommer nicht heiß, im Winter nicht kalt. Zudem altern sie würdevoller – ohne Risse, Falten oder speckige Flächen. Wer heute einen gut erhaltenen Stoffsitz im R129 sieht, erkennt schnell: Mercedes hat hier keine Sparversion geliefert, sondern eine dem SL angemessene Alternative mit hoher Wertigkeit.

Bleiben wir bei der Vertriebsinformation „Vorteile“, mit der Mercedes 1989 über die technischen Besonderheiten des R129 informierte. Interessanterweise ist hier durchgängig ein SL in almadinrot mit Stoff mittelrot abgebildet – ein Indiz, dass man die Stoffsitze mit ihrer Farbenfreude auch intern durchaus als wegweisend sah.

Ich habe in den vergangenen Wochen einige R129-Bilder von Lesern meiner Seite erhalten – herzlichen Dank an Euch alle! Einig davon haben Stoffsitze in sehr seltenen Farbvarianten, die in diesem Artikel natürlich entsprechend gewürdigt werden müssen.
Dazu gehört zum Beispiel der besonders schöne Mercedes 500 SL von Darragh Nugent aus Irland. Es handelt sich bei diesem R129 um Nummer die 1.800, wie die VIN verrät, einen recht frühen R129 also. Er wurde im April 1990 gebaut und nach Irland erstausgeliefert. Seine Farbkonfiguration war damals schon selten und ist heute einfach cool: Darraghs SL wurde in signalrot mit Stoff mittelrot geordert.

Sein R129 ist ein sehr seltener Anblick: Über alle Baujahre, Länder und Außenfarben wurde der Stoff mittelrot gerade 141 Mal im R129 verbaut! (Diese Zahl verrät die hervorragende Kaufberatung des R129 SL-Club e.V., die man hier käuflich erwerben kann.) Fraglich bleibt, wie viele SL mit rotem Stoff heute überhaupt noch existieren…

Mehr als zehn Mal so oft wurde dagegen Leder mittelrot verbaut. Auch hier ist nahezu der gesamte Innenraum in mittelrot ausgeführt. (Das Lenkrad wurde, wenn ich mich richtig erinnere, nur mit Airbag in der Farbe der Sitze ausgeführt und war ansonsten immer schwarz.)

Weitaus häufiger als rot wurden die Stoffsitze erwartungsgemäß in schwarz verbaut, nämlich ganze 2.282 Mal. Das ist immer noch kein Vergleich mit über 57.000 R129-Fahrzeugen, die im selben Zeitraum mit schwarzem Leder ausgestattet wurden, aber immerhin.
Einer dieser SL mit schwarzem Stoff ist mein 300 SL-24 aus dem Jahr 1992. Er trägt mit brillantsilber met. die mit Abstand häufigste Lackfarbe des R129.

Für mich waren die schwarzen Stoffsitze in sehr gutem Zustand (passend zur Laufleistung von weniger als 50.000 km beim Kauf vor vier Jahren) einer der Gründe, hier zuzuschlagen. Ich finde, dass sie mit dem hellen Karomuster den sportlichen Charakter des SL mit 24 Ventilen gut passend unterstreichen.

Erwähnenswert ist noch, dass die Stoffsitze bei entsprechender Wahl der Sonderausstattung auch die aufpreispflichtige Rücksitzbank einschlossen. Sie ist in Stoffausführung ein sehr seltener Anblick, aber es gibt sie – wie hier im 1994er SL 320 von Patrick Tamblé.


Die R129-Gruppe dieses Beitrags zeigt übrigens auch, dass die Stoffsitze mitnichten nur in Buchhalter-Fahrzeugen mit Sparausstattung zu finden sind. Mit dem roten R129 von Beginn und dem nachfolgenden Foto des 500 SL von Hans-Peter Schier finden sich immerhin zwei V8-Modelle in diesem Beitrag! Und wer einen Blick in die abgebildeten Innenräume wirft, findet Sonderausstattungen wie Klimaautomatik, Memory-Sitze oder Standheizung. Kurzum, es gab auch damals Käufer, die die Stoffsitze offenbar nicht aus Kostengründen wählten.

Sehr schön sind auch die blauen Stoffsitze, die in 586 Fahrzeugen verbaut wurden. Sie haben damit auch echten Seltenheitswert. Besonders gut zur Geltung kommen sie, finde ich, in Kombination mit dem Unilack Dunkelblau 040, so wie im R129 von Jens Hummes. Ein traumhafter SL, bei dem sowohl Lackierung als auch Sitzbezug der serienmäßigen Ausstattung entsprechen!

Es geht noch seltener: Mit Stoffsitzen in den Farben cremebeige (1989-1992), champagner (1902-1993) bzw. champignon (ab 1993) wurden lediglich 239 Fahrzeuge der Baureihe R129 ausgestattet.
Die Innenausstattung harmoniert besonders gut mit einer Außenlackierung in der damaligen Modefarbe bornit met., wie der R129 von Michael Meyer zeigt.

Wer die o.s. Tabelle aus der Informationsschrift „Vorteile“ genau betrachtet hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass bei Stoff cremebeige/champignon das Oberteil des Armaturenbretts nicht in der Farbe des Stoffs aufgeführt ist, sondern in dunkelbraun.

Wem die bisherigen Stoffe noch nicht selten genug erscheinen, der dürfte bei den Stoffsitzen in piniengrün umdenken: Ganze 38 Fahrzeuge der R129-Baureihe wurden in all den Jahren mit diesem Stoff ausgerüstet. Dieses Exemplar zum Beispiel ist mir vor einiger Zeit auf mobile.de ins Auge gefallen.

Wie bei den anderen Farben auch hat Mercedes im Interieur damals keine halben Sachen gemacht, sondern so gut wie alles Ton in Ton angepasst. Armaturenbrett, Lenkrad, A-Säule, sogar die Gurte – alles wurde in grün ausgeführt! (Heute würde das als Designo-Ausstattung vermutlich ein Vermögen kosten, damals war das wohlgemerkt als Basisausstattung ohne Aufpreis möglich!)

Die geringe Nachfrage hatte damals Folgen: Mit der ersten Modellpflege („MOPF 1“) des R129 wurde das Angebot an Stoffsitzen auf einen Farbton reduziert. Mit dem MOPF 2 entfielen die Stoffsitze dann komplett aus der Preisliste, Ledersitze wurden in allen R129 zur Serie. (Auf speziellen Kundenwunsch wurden die Stoffsitze allerdings noch verbaut.)
Die Ironie des Schicksals zeigt sich über 30 Jahre später: Die geringe Nachfrage von damals macht R129 mit gut erhaltenen Stoffsitzen heute besonders begehrt! 😊
Zu guter Letzt möchte ich mich ganz herzlich bei Darrah Nugent, Michael Meyer und Jens Hummes dafür bedanken, dass sie Fotos von ihren besonders schönen R129 zur Verfügung gestellt haben. Danke! Ebenso möchte ich an dieser Stelle ein großes Kompliment an die Autoren der R129-Kaufberatung des SL-Club e.V. loswerden – ein beeindruckendes Werk, dessen Kauf allen Interessenten ans Herz gelegt sein.
Wie seht Ihr das – haben R129 mit Stoffsitzen einen besonderen Reiz für Euch? Ich freue mich wie immer über Kommentare unter dem Beitrag!
Stoffsitze sind für mich auch sehr erstrebenswert.
Allein der meiner Meinung nach wesentlich bessere Halt ist ein Vorteil.
Dass MB damals wunderbare, einmalige Farbkombinationen ermöglichte macht die Marke ja so besonders und die Suche nach einem passenden Modell so aufregend.
Neulich gesehen, sogar 2x in der Kombi online: aussen bornit, innen Stoff mittelrot.
Sowas gibt es heute einfach nicht mehr.
Traumkombi: rubinrot/mittelrot, azurit/brasil oder blauschwarz/brasil.
Genau das macht eben den Reiz aus, diese unendlichen Varianten, dass das Auto damit einzigartig wird.
Ich habe sogar ganz gezielt nach einem SL mit der Stoffausstattung gesucht. Geworden ist es dann ein handgeschalteter almandinroter 300 SL mit schwarzer Innenausstattung. Ich mag Leder wegen dem Im-Winter-kalt-im Sommer-heiß nicht und gerade die Mercedes-Leder altern nicht schön. Man sieht viele glänzig gewordene rissige Ausstattungen. Die Stoffausstattung, die im übrigen „Sportkaro“ genannt wurde, finde ich optisch sehr gelungen. Bemerkenswert, dass nicht die aus anderen Baureihen bekannte „Karo Drei“ Variante in den SL eingebaut wurde, man wollte offensichtlich den Premium-Charakter unterstreichen. Auf jeden Fall sind die Stoffe sehr hochwertig, abriebfest und UV-stabil. Ich wollte auf keinen Fall gegen Leder tauschen.
Nachtrag: Dass die Farbfülle außerordentlich war teile ich. Allerdings finde ich, dass die einzige Holzausführung in „Wurzelnuss“ nicht zu allen Farben passt, am wenigsten zu mittelrot. Ich finde das braun des Holzes beißt sich mit der roten Farbe bzw. geht unter. Es ist mir unverständlich, warum Mercedes in seinen ersten Vorstellungen und Publikationen gerade diese Farbkombi angeboten hat. In späteren Prospekten spielt die Stoffausstattung dann allerdings keine Rolle mehr. Da dominiert (schwarzes) Leder.
Hallo, ich habe einen Bornitroten SL mit roter Stoffaustattung in Kleinanzeigen zu verkaufen